Ein Tanz auf dem Hochseil im Grenzbereich.
Gänsehaut beim Ertasten der Balance.
Ein Spiel zwischen schöpferischem Rausch und Untergang.
Spüren, dass jeder weitere Schritt das Ende bedeutet.
Ein in Holz geschnittenes System im Spannungsfeld von Werden und Vergehen.
« Das Markenzeichen von Armin Göhringer, der zu den führenden deutschen Holzbildhauern der Gegenwart zählt, sind Holzskulpturen, die mit der Polarität von fragiler Ausdünnung und kubischer Masse spielen. Mit der Kettensäge gibt der Künstler Druck und Zugkräften im Holzstamm formalen Ausdruck, viele seiner Arbeiten stehen regelrecht „unter Spannung“. (…) Fasst man die Skulpturen an, so versteht man auch warum: die einzelnen Teile stehen tatsächlich zueinander unter großer Spannung.
(…)Durch die Arbeit mit der Kettensäge, durch einen mehr oder weniger brutalen Akt der Verletzung, enthüllt der Bildhauer die dem Holzblock innewohnenden Zug- und Druckkräfte. Zug- und Druckkräfte sind von der Natur her im Stamm angelegte Kräfte, die sich als Reaktion auf die Wuchsposition gebildet haben, um z.B. das Wachstum bei einseitigen Belastungen zu regeln, bei einer Fehl- oder Hangstellung, bei äußerer Einwirkung wie Schneelast und Windbruch; an solchen Stellen baut sich größerer Druck durch stärkere Zellteilung und dickere Zellwände auf, dadurch kann der Baum einseitige Belastungen ausgleichen.(…) Göhringer nutzt diese im Stamm verborgenen Druckkräfte für seine Arbeiten aus: Holzkuben auf Gestängen streben aufeinander zu, stehen in Spannung zueinander, optisch verstärkt durch die Durchblicke und Ritzen, die zwischen den Blöcken als Leerräume stehen bleiben.(…) »
Textauszüge aus „Balanceakt“ von Dr Barbara Regina Renftle, Stiftung S BC – pro arte, Biberach 2014 im Buch „Spätholz“ von Armin Göhringer
« Die Polarität zwischen Offenheit und Geschlossenheit wird in den Arbeiten Armin Göhringers nie im Sinne eines Entweder/Oder verhandelt, sondern als Markierung für das, was sich dazwischen abspielt: das Leben in seiner unsystematischen Pluralität und die Erfahrung eines geistigen Prinzips dahinter, das sich „Transzendenz“ nennen lässt. Indem sie in ihren Unterbrechungen und durchblicken das Abwesende als Anwesendes thematisieren, lenken sie unsere Blicke von dem, was wir sehen, hin auf das, was wir nicht sehen können. So zeigt sich das Unsichtbare. »
Zitat: Dr. Stefan Berg, Vom Material zur Lücke, Freiburg Stipendium Götz und Moriz 1994