Zum Tode von Seiji Kimoto

| News

Seiji Kimoto ist tot. Er war nicht nur ein außergewöhnlicher Künstler, er war ein außergewöhnlicher Mensch. Selten ist künstlerisches Schaffen so eng mit einem bedingungslosen Engagement für die Werte und die Würde des Menschen verbunden wie in seinem künstlerischen Lebenswerk.

Seiji Kimoto war 1937 in Osaka geboren, hatte dort Innenarchitektur und Zen-Malerei studiert, war außerdem Meister der Tee-Zeremonie.

1967 kam er nach Deutschland, um im Goethe-Institut in Freiburg seine Deutschkenntnisse zu verbessern.

 

Auf seinem Weg nach Deutschland lernte er seine spätere, aus dem Saarland stammende Frau Ursula im Moskauer Bahnhof kennen, die – auf dem Rückweg von einem längeren Japanaufenthalt – in dieselbe Richtung reiste.

 

Ab dem Zeitpunkt spielte das Saarland also nicht nur, was geografische Begebenheiten betrifft, eine wichtige Lebensrolle: Studium in Saarbrücken bei Professor Boris Kleint, Mitbegründer der Gruppe 7, Gründungsmitglied des BBK Saarland, Gründungsmitglied des Saarländischen Künstlerhauses.

Seit 1971 lebte Seiji Kimoto als freischaffender Künstler mit seiner Familie in Wiebelskirchen, in einem kleinen Arbeiterhaus des ehemaligen Neunkircher Industriereviers.

Der Weg Seiji Kimotos ist der eines Einzelgängers auf der Suche nach menschlichen und künstlerischen Werten ­zwischen den Weltkulturen.

Seine Formensprache erinnert in vielen Elementen an traditionelle japanische Einflüsse. Wer insbesondere die Tuschezeichnungen sieht, versteht, dass der heute viel strapazierte Begriff des Zen-Buddhismus für ihn nicht leicht zu vermarktender Snobismus, sondern Lebensauffassung war.

Als Kind hatte er im Zweiten Weltkrieg in Japan die verheerende Vernichtung der Bomben erlebt. Das hat ihn nachhaltig geprägt. Doch auch in Deutschland hat er sich später ebenso mit der traumatischen Geschichte des Naziterrors auseinandergesetzt wie er sich mit der Diktatur der Stasi-Bonzen befasst hat.

Dabei begnügte er sich nicht mit bloßer Kritik, er hatte vielmehr den Mut und die intellektuelle Kraft, ohne politische Polemik mit seinen Kunstwerken sozusagen ins Zentrum des Unrechts vor- und einzudringen. Seine Werke sind seismographische Aufzeichnungen dessen, was der Mensch als Täter anrichtet und als Opfer erleidet.

Er thematisierte „Macht und Ohnmacht“ in einer endlosen Geschichte gegen den Abgrund des entgrenzten Unrechts.

Doch dieses Thema ist nur ein – wenn auch ein wesentlicher – Teil des Werks. Denn neben den skulpturalen Symbolen des menschlichen Leidens prägen meditative Tuschezeichnungen, Kalligrafien, auch mitunter witzig illustrierte Haikus und vor allem reduzierte abstrakte, meditative Plastiken das Oeuvre.

Wer Seiji Kimotos Kunstwerke entziffern will, muss sich also nicht nur auf eine kurvenreiche Entdeckungsreise zwischen ­asiatischer Kulturtradition und europäischen Herausforderungen begeben.

Er muss sich vielmehr darauf einstellen, dass ihm neben lyrischer Ästhetik ein schonungsloser Spiegel der menschlichen Unzulänglichkeit und des Leidens entgegengehalten wird.

Er muss sich mit oftmals verstörenden Antworten auf unsere ungemütliche Zeit auseinandersetzen, einer Zeit, in der wiederum erschütternde Auswüchse von Menschenverachtung und kaltem Kriegsmoder den Alltag bestimmen.

Er fehlt, Seiji Kimoto. Gerade jetzt

 

Paul Bertemes